Rund 60 Bürgerinnen und Bürger folgten der Einladung des Ortsverbands Ostfildern und der IGL Neuhausen, um mit der Esslinger Landtagsabgeordneten Andrea Lindlohr und Landtagspräsidentin Muhterem Aras unter der Überschrift „Heimat in Vielfalt“ zu diskutieren.
Die Leitfragen des Abends waren, was Heimat ausmacht und wie ein demokratisches Miteinander und das Zusammenleben in Vielfalt gelingen kann.
Zu Beginn betonte Lindlohr: „Heimat ist für die meisten von uns ein Ort, aber vor allem besteht Heimat aus Menschen und darin, Teil einer Gesellschaft zu sein. Diese Heimat müssen wir zusammen immer wieder schaffen. Dabei ist Baden-Württemberg schon lange durch Vielfalt geprägt. Richtschnur für uns alle ist unser Grundgesetz.“
Muhterem Aras stimmte ihr zu, denn als sie 1978 aus der Türkei auf die Fildern kam, lernte sie dessen Werte als kurdische Alevitin besonders schätzen. Sie wuchs in Filderstadt auf, wo ihr kindliche Neugier, die Offenheit ihrer Eltern und die vorurteilslose Aufnahme durch eine Sielminger Familie halfen, gut in Deutschland anzukommen. Diese Erfahrung gibt sie auch heute noch weiter und ist sich sicher: „Ein Aufeinanderzugehen ohne Vorurteile, dass überhaupt Begegnung stattfindet, ist zentral, damit eine Gesellschaft zusammenhält“. Und der Zusammenhalt sei sehr gut im Land, so Aras. Jede*r zweite Bürger*in engagiere sich ehrenamtlich und bringe sich damit für seine Mitmenschen und die Gesellschaft ein.
Aras, selbständige Steuerberaterin, beschloss nach den rechtsextremistischen Brandanschlägen Anfang der 90er Jahre, sich politisch zu engagieren. Deutschland war mittlerweile auch ihre Heimat, die sie sich nicht von den Rechten nehmen lassen wollte. Politisch fand sie bei den Grünen ihre Heimat und kam nach 12 Jahren im Stuttgarter Gemeinderat 2011 in den Landtag. Seit 2016 ist sie die erste Frau an der Spitze des Landtags von Baden-Württemberg und die erste Migrantin deutschlandweit in diesem Amt. Sie setzt sich für ein weltoffenes und demokratisches Baden-Württemberg ein. Und dazu gehört für sie, das Grundgesetz stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Ins Grundgesetz zu schauen, empfehle sie auch allen, die ihr ihr Deutschsein und damit ihr Amt absprechen. Laut Verfassung ist Deutsche oder Deutscher, wer die Staatsangehörigkeit besitzt. Ein öffentliches Amt kann jede oder jeder Deutsche bekleiden, also auch Landtagspräsident*in werden. Wer anderes behaupte, missachte sowohl sie als Mensch als auch ihr Amt und das Grundgesetz. Lindlohr ergänzte, dass der Ton in den öffentlichen Debatten tatsächlich rauer geworden sei, auch durch den medialen Wandel:
„Über das Internet kann heute jeder demokratiefeindliche Botschaften verbreiten. Wir als Politikerinnen dürfen das nicht stehen lassen, sondern müssen klar richtig und falsch benennen und uns für die Demokratie stark machen.“
Das Publikum interessierte sich für den Tagesablauf und die Aufgaben einer Landtagspräsidentin sowie verschiedene aktuelle politische Fragen. In der Diskussion mit den Bürger*innen betonte Aras, dass Vielfalt auch anstrengend sei, aber wir den Mut und die Bereitschaft aufbringen müssten, Unterschiede zu akzeptieren. Dem entspreche eine Gesellschaft, die sich wie ein Mosaik zusammensetze, dessen fester Rahmen das Grundgesetz darstelle.