Viele kamen auf Einladung der Landtagsabgeordneten Andrea Lindlohr in den Hof des KOMMA zur Lesung und Talk mit Verkehrsminister Winfried Hermann. Rund 70 Bürgerinnen und Bürger erlebten an dem Sommerabend einen informativen wie anregenden Mix aus persönlichen Geschichten, sachkundiger Analyse und Zukunftsperspektiven zur nachhaltigen, vernetzte Mobilität. Der Verkehrsminister las Passagen aus seinem Buch „Und alles bleibt anders. Eine kleine Geschichte der Mobilität“. Ausgehend davon erörterte Andrea Lindlohr mit dem Minister die Verkehrswende im Land. Auch Mobilitätsthemen im Kreis Esslingen kamen zur Sprache.
„Mobilität ist ein menschliches Grundbedürfnis. Mobil sein können gehört auch zur Teilhabe - von der Arbeitswelt bis zum gesellschaftlichen Leben“, stellte Lindlohr fest. „Klimaneutral bis spätestens 2045 können wir aber nur werden, wenn unser Verkehr sich sehr verändert - eine echt große Herausforderung. Persönlich wichtig ist mir, dass Mobilität zukünftig zuverlässig und bezahlbar ist. Und Bahnhöfe und Bushaltestellen konsequent barrierefrei gestaltet sind.“
Winfried Hermann, Jahrgang 1952, hat bereits zwei Transformationen im Verkehr erlebt. Anschaulich schildert er in dem Buch seine Kindheit auf dem Rottenburger Güterbahnhofsgelände – sein Schwiegervater war Rollfuhrunternehmer. Deutschland war damals ein Bahnland. Bis mit dem massiven Straßenausbau in den 1960er-Jahren auch das systematische Schienenstillegen begann. Das war politisch so gewollt und von vielen Menschen mitgetragen. „Mit Wucht“, so Hermann, „ging die Transformation vonstatten“. Er folgert: „Wir müssen auch heute die Menschen bei der aktuellen Transformation mitnehmen.“
Beide Landespolitiker sind sich einig, dass das Verkehrssystem der Zukunft nachhaltig und intelligent vernetzt sein muss, bestehend aus Bahnen, Bussen, Rad- und Fußverkehr und klimaneutral angetriebenen Autos und Car-Sharing-Angeboten. „Die Sanierung der Bahn braucht viel Durchhaltevermögen und wird teuer werden“, stellte der Verkehrsminister klar. Die beiden Hauptprobleme der Bahn sind die marode Infrastruktur und der Fachkräftemangel. Das Land hat hierzu eine Vielzahl an fokussierten, aufeinander abgestimmten Maßnahmen geschnürt. Lindlohr lobte den Beschluss des Landkreises Esslingen, mit einer neuen Machbarkeitsstudie das Thema Stadtbahn von Esslingen auf die Filder größer und bis Neuhausen und Denkendorf zu denken. Hermann signalisierte: „Das Land steht dahinter.“
Angestrebt wird in den kommenden Jahren eine landesweite Mobilitätsgarantie im Öffentlichen Nahverkehr: Hierbei sollen alle Orte in Baden-Württemberg künftig von fünf Uhr früh bis Mitternacht erreichbar sein. „Ein ambitioniertes Ziel, das nur durch die Mitwirkung vieler Akteurinnen und Akteure vor Ort realisierbar ist“, so Lindlohr.
Die Antriebswende in der Automobilindustrie, die zukünftig auf softwaregetriebene E-Mobilität umstellt, ist für die heimische Automobilwirtschaft das beherrschende Zukunftsthema. China als größter weltweiter Automobilmarkt gibt hier entscheidende Rahmenbedingungen vor. Aus dem Publikum wurden dazu klare Vorgaben der Politik gegenüber den Unternehmen besonders der Automobilindustrie gefordert.
Auch das Thema Radschnellweg zwischen Esslingen und Reichenbach, einem Pilotprojekt der Landesregierung, wurde thematisiert. Hermann: „Diese wird kommen“. Schwierigkeiten bereiten Raumkonflikte im eng bebauten Neckartal. Nun ist die Stadt Esslingen am Zug, unter Bürgerbeteiligung die Realisierbarkeit der „Südvariante“ durch die Pliensauvorstadt zu prüfen. Für die projektierte U-Bahnlinie zwischen Nellingen und Esslingen ist seit Frühjahr eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, die dem Projekt neuen Schwung verleihen könnte. Als Vorreiter und Modell auch für andere Städte sieht Hermann Esslingens innovatives Buskonzept: voraussichtlich ab 2025 ist der Linienverkehr komplett auf von grünem Strom angetriebene Elektrobusse umgestellt.