Stuttgart – Die Landtags-Grünen und der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) wollen sich gemeinsam für ein Zuwanderungsgesetz einsetzen, um dem Fachkräftemangel in der baden-württembergischen Wirtschaft zu begegnen.
Dies ist das Ergebnis eines Treffens von Fraktionschef Andreas Schwarz mit BWIHK-Präsident Wolfgang Grenke, BWIHK-Geschäftsführer Dr. Michael Alpert und der wirtschaftspolitischen Sprecherin Andrea Lindlohr der Fraktion GRÜNE am Freitag in Stuttgart. Ein zentrales Ziel: Ein Zuwanderungsgesetz, das sich am Bedarf des Arbeitsmarktes orientiert.
„Unsere starke Wirtschaft benötigt qualifizierte Arbeitskräfte. Gegen Engpässe auf dem Arbeitsmarkt müssen wir auch das Fachkräftepotenzial aus dem Ausland bestmöglich ausschöpfen. Gemeinsam werden wir den Druck auf die Bundesregierung erhöhen: Sie muss endlich eine Regelung auf den Weg bringen“, sagt Fraktionsvorsitzender Schwarz am Samstag.
Das aktuelle Arbeitsmigrationsrecht sei für Menschen mit Hochschulabschluss in den vergangenen zehn Jahren bereits liberalisiert worden.
„Wir brauchen nun ein Zuwanderungsgesetz, damit auch dringend benötigte Fachkräfte in Ausbildungsberufen aus dem Ausland bei uns arbeiten können“, sagt BWIHK-Präsident Grenke. „Wir wollen auch die Chancen für Fachkräfte in Ausbildungsberufen verbessern, denn der Mittelstand ist das Rückgrat unseres Wohlstands“, so Schwarz weiter.
Laut IHK-Fachkräftemonitor für Baden-Württemberg fehlen bereits in diesem Jahr 269.000 berufliche aus- und weitergebildete Fachkräfte im Südwesten. Ohne eine qualifizierte Zuwanderung wird das Angebot an beruflich ausgebildeten Fachkräften bis 2030 um über 18 Prozent schrumpfen. Dadurch könnten in zwölf Jahren 484.000 Fachleute fehlen und gut jede siebte Stelle unbesetzt bleiben.
Außerdem setzen sich Landtags-Grüne und der BWIHK dafür ein, dass geduldete Asylbewerber und Asylbewerberinnen in Ausbildung weiter in Baden-Württemberg bleiben können. „Zu häufig gehen uns Fachkräfte verloren, weil die 3+2 Regelungen nicht konsequent angewendet werden“, sagt Schwarz. „3+2“ bedeutet, dass Flüchtlinge während ihrer dreijährigen Ausbildung eine Duldung und anschließend ein zweijähriges Aufenthaltsrecht für die Beschäftigung im erlernten Beruf erhalten.
Schwarz: „Wir müssen uns für diejenigen mit aller Kraft einsetzen, die mit großer Motivation ein neues Leben in Deutschland beginnen wollen. Sie verdienen Rechtssicherheit, ebenso wie die ausbildenden Betriebe.“
Lindlohr begrüßt ausdrücklich den Vorstoß von Sozialminister Manne Lucha (Grüne), die 3+2-Regelung für geflüchtete Auszubildende ohne Schutzstatus auch auf Helferberufe auszuweiten, welche als Grundlage zum Einstieg in qualifizierte Ausbildungsberufe dienen. Die Integrationsministerkonferenz hatte im Dezember 2017 einem entsprechenden Vorschlag aus Baden-Württemberg einstimmig zugestimmt.
„Wenn wir mehr geeignete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewinnen wollen, führt an einem kriterienbasierten Zuwanderungsgesetz kein Weg vorbei. Eine Reform ist jetzt nötig, um die vielen offenen Stellen zu besetzen“, sagt Grenke.
Die 3+2-Regelung sei dabei ein Baustein, um junge Fachkräfte auszubilden und zu halten. Auch bei den Umwälzungen der baden-württembergischen Automobilindustrie spiele das Thema Aus- und Weiterbildung eine Schlüsselrolle, so Grenke weiter. Einig sind sich Grüne und IHK-Organisation über die eingeschlagene Richtung des Strategiedialogs Automobilwirtschaft Baden-Württemberg (SDA BW) von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Hier arbeiten Politik, Gesellschaft und Wirtschaft an Lösungen für die Herausforderungen dieser Schlüsselbranche. Dies ist ein wichtiger Weg, um gemeinsam und auf Augenhöhe konkrete Handlungsansätze für Baden-Württemberg als zentralem Automobil- und Mobilitätsland der Zukunft zu finden, sagen Schwarz und Grenke.
Bei den weiteren Gesprächen müsse der Fokus auf die Frage gelenkt werden, wie sich die Anforderungen an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die sich wandelnden Rahmenbedingungen verändern. In dieser Branche sei Wissen im ständigen Fluss. Um auch international Schritt halten zu können, bedürfe es fortlaufender Qualifikationen, so Lindlohr. Für beide Seiten wichtig: Das Thema Weiterbildung dürfe nicht in einer Einbahnstraße zu Lasten Einzelner enden.
„Der Strategiedialog muss auf einen Pakt für Weiterbildung hinführen. Wir müssen gemeinsam konkrete Ziele für die Qualifizierungen von morgen entwickeln und diese umsetzen“, sagt Schwarz.
Grenke betont einen anderen Aspekt: „Die Weiterbildung spielt im digitalen Zeitalter eine entscheidende Rolle. Insbesondere bei der Förderung der beruflichen Weiterbildung erhoffe ich mir politische Impulse. Über Vorschläge wie einen Aufstiegsbonus, mit dem wir die berufliche Weiterbildung finanziell mit der akademischen gleichstellen wollen, sollten wir weiter diskutieren.“
Lindlohr weist ferner darauf hin, dass auch kleinere und mittlere Zulieferbetriebe in den Veränderungsprozess eingebunden werden sollten.
„Mit dem umfassenden kooperativen Ansatz können wir rechtzeitig die Umstellungen bewältigen und die Potenziale für Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit heben.“